2 Tim 3,7: Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.
Liebe Gemeinde, liebe Gäste von fern und nah,
wir hören von einem Mann, der gelähmt ist. Niemand konnte ihm helfen.
Nun richtet sich die Hoffnung auf Jesus. Durch ein Loch im Dach lassen seine Freunde den Gelähmten an Stricken herunter. Direkt vor die Füße von Jesus.
Dann lesen wir:
Als Jesus ihren Glauben sah, heilte er den Kranken.
Wir erfahren nichts über diese Männer. Gar nichts.
Ob sie in der Ehe treu waren oder auch die Blumen am Wege gepflückt haben.
Ob sie ehrlich waren oder Betrüger.
Jesus prüft ihren Glauben nicht.
Er fragt nicht: Glaubt ihr an die Erbsünde?
Glaubt ihr, dass Gott die Erde in 7 Tagen geschaffen hat?
Glaubt ihr, dass meine Mutter eine Jungfrau ist?
Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tod und an die Vergebung der Sünden?
All das fragt Jesus nicht. Auch den Kranken fragt Jesus nicht. Gar nichts.
Was beeindruckt Jesus so sehr, dass er sofort heilt?
Dies Freunde des Gelähmten wollen helfen. Sie selbst können nicht helfen. Des-halb setzen sie Himmel und Hölle in Bewegung, damit Hilfe möglich wird.
Sie haben keine Garantie, dass ihre Bemühungen Erfolg haben, aber sie wollen nichts unversucht lassen, damit Heilung geschehen kann.
Genau das ist Glauben.
Die feste, unerschütterliche Überzeugung, dass wir alles uns Mögliche einsetzen müssen, damit Gutes geschehen kann, damit Segen greifen kann, damit Frieden zwischen Menschen und Völkern sein kann.
Zum Glauben gehört – das zeigen die Männer, die den Kranken bringen – das Han-deln.
Das ist ganz wichtig.
Viele in der Kirche meinen, es reicht den richtigen Glauben zu haben, es reicht zu beten, um den Rest wird sich Gott kümmern.
Nein. Zum Glauben gehört unabdingbar das Handeln.
Und dieses Handeln muss so sein, dass daraus Segen entstehen kann.
Wenn wir den richtigen Glauben haben, aber das Böse tun, ist unser Glaube nichts wert.
Wenn wir für den Frieden beten, aber anschließend das Gewehr nehmen und in den Krieg gehen, haben wir das Ganze gründlich falsch verstanden, dann lästern wir Gott.
Richtig verstandener Glauben hat viel Segen für die Welt gebracht.
Die europäische Kultur und der Gedanke der sozialen Verantwortung sind ohne das Christentum nicht denkbar.
Aber das ist nur die eine Seite der Wahrheit.
Es gibt eine zweite, dunkle Seite.
Dazu gehe ich in die Geschichte dieses Ortes und dieser Kirche.
Die Kirche wurde 1904 gebaut .
1904. Die evangelische Kirche in Sachsen unterstützte den Bau, deshalb kam zur Einweihung der zuständige Referent.
1904. Diese Zeit war geprägt von großem Fortschrittsglauben.
Ich habe eine Postkarte aus dieser Zeit gesehen, die Spindleruv Mlyn 100 Jahre später, im Jahre 2.000, zeigt. Spindlermühle hat eine eigene Bahnstation. Die Bahnlinie hat einen Tunnel nach Polen. Ballone landen, Autos und Motorräder kommen an .
So viel zum Fortschrittsglauben.
Aber es gab auch eine dunkle Seite dieser Zeit.
1904 wurde in Deutsch Südwestafrika wird ein Aufstand der Hereros niedergeschlagen. Die Hereros werden regelrecht abgeschlachtet.
1904 begann der japanisch-russische Krieg .
1904. Mein Vater war zwei Jahre alt und wusste nicht, dass zwei Weltkriege und viermal Vertreibung von Haus und Hof auf ihn warten.
1904. Seit fast 300 Jahren gehörte ganz Böhmen zu Habsburg. Der habsburgische Kaiser war das Geschenk Gottes für die Menschen in Österreich-Ungarn. So sagten das die Lehrer in der Schule und die Pfarrer von der Kanzel. Alle waren der Über-zeugung, Österreich-Ungarn würde ewig bestehen.
Die andere Seite des Riesengebirges gehörte zum deutschen Kaiserreich. Auch da war der Kaiser das Geschenk Gottes für die Menschen in Deutschland.
Aber der Kaiser träumte von Kolonien und der Weltherrschaft.
Das geht nicht ohne Krieg.
Der Erste Krieg, an den wir in diesen Tagen erinnert werden, fiel nicht vom Himmel.
Er wurde über Jahrzehnte intensiv vorbereitet.
In allen Ländern schufteten zigtausende Bergleute in Bergwerken und holten Erz und Kohle aus der Erde.
Zigtausende Arbeiter schufteten in Stahlwerken und Waffenfabriken.
Tausende Ingenieure und Wissenschaftler erfanden und bauten noch tödlichere Waffen.
Der Beginn des Krieges wurde von vielen bejubelt.
In den Kirchen gab es Festgottesdienste zur Verabschiedung der Soldaten. Für den Sieg wurde eifrig gebetet.
Von den Kanzeln wurde gepredigt: Der Krieg ist Gottes Wille, er bringt die seelische Erneuerung unseres Volkes, das in der langen Zeit des Friedens verfault ist.
Dieser Schwachsinn wurde von allen Konfessionen in ganz Europa gepredigt.
Hinterher waren 3 Kaiserreiche zerstört, Millionen Menschen tot, ganze Völker trau-matisiert.
Hinterher hat es keiner gewollt, aber viele Millionen haben mitgemacht.
Hinterher war niemand schuld.
Auch die Kirchen lehnten jedes Nachdenken über die Ursachen des Krieges ab.
Diese Weigerung der Kirchen, über die eigenen Irrwege nachzudenken, ist der wichtigste Grund, warum es zum nächsten, noch grausameren Krieg kommen konnte.
Viel zu wenige forderten ein Umdenken und Versöhnung zwischen den Völkern.
Die Kirchen haben sich nicht ein Beispiel an den Männern genommen, die den Ge-lähmten zu Jesus brachten.
Die Kirchen haben die Völker nicht zum himmlischen Herrscher sondern zu den irdischen Herrschern geführt, damit sie gehorsame Soldaten sind.
Sie haben gepredigt, so wie Jesus gehorsam bis zum Tod am Kreuz war, müsst auch ihr bedingungslos gehorsame Soldaten sein, wenn ihr Gottes Gebot erfüllen wollt.
Auf diese Weise haben die Kirchen viel, viel Schuld auf sich geladen.
Für dieses Versagen werden sie noch lange büßen müssen.
Nach dem zweiten Weltkrieg haben viele gedacht, es würde ewig Hass zwischen Deutschland und seinen Nachbarn geben.
Aber es ist so viel Versöhnung gewachsen, dass zum ersten Mal in der Weltge-schichte etwas möglich wurde, was es noch nie in der Weltgeschichte gegeben hat.
Völker haben sich freiwillig, ohne Krieg, zusammengeschlossen.
Christen haben einen großen Anteil an dieser Versöhnung. Dafür bin ich von Herzen dankbar. Das macht mir Hoffnung für die Zukunft.
Zu allen Kriegen gehören Brutalität und Lügen.
Beides ist Gift. Dieses Gift wirkt noch viele Jahrzehnte später, es wirkt sogar noch in der zweiten und der dritten Generation.
Wenn wir wirklich Christen sein wollen, müssen wir die Geschichte und die Gegen-wart entgiften. Entgiften von dem Mythos, wir sind Engel, die anderen sind Teufel. Entgiften vom Mythos, wir waren immer ehrlich und anständig, grausam und verlo-gen sind die anderen. Entgiften vom Mythos, bei Kriegen geht es um Gott, um die Freiheit, um die Ehre.
Wir müssen fragen, wer verdient an diesem Krieg? Wer möchte noch mehr Macht haben? Diesen Leuten müssen wir den Gehorsam verweigern. Diesen Leuten müs-sen wir die Möglichkeit nehmen, den nächsten Krieg herbeizuführen.
Auf diesem Weg, den wir vor uns haben, gibt es keine einfachen Wahrheiten son-dern viele bittere Wahrheiten. Für alle Beteiligten.
Wenn wir wirklich Christen sein wollen, müssen wir bedingungslos ehrlich gegenüber den dunklen Kapiteln in der Geschichte unserer Völker und unserer Kirchen sein.
Dann müssen wir bedingungslos den Weg gehen, den uns Jesus gezeigt hat. Ohne Hass, ohne Gewalt, ohne Waffen. Immer bereit, selber zu Jesus gehen. Immer bereit, anderen den Weg zu Jesus zu zeigen. Immer die Mächtigen und die Herrschenden daran erinnern, Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein, sondern Frieden. Dieser Frieden muss von Menschen realisiert werden.
Dazu brauchen wir Klarheit und Mut.
Genauso wie es uns der 2. Timotheusbrief verspricht.
7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Dieser Geist hat in der Vergangenheit oft gefehlt. Dieser Geist kann uns helfen, eine bessere Zukunft zu gestalten. Er führt uns zu anderen Menschen und damit zu Gott. Amen.